seilbahn.net | Themenbereiche | Tourismus/Gastro | 2021-04-23

Ist Tirols Tourismus am Scheideweg?

Businessclub CLUB TIROL veranstaltete hochkarätig besetzte virtuelle Podiumsdiskussion über die Zukunft des Tourismuslandes Tirol.

Der Rekord von knapp 50 Millionen Gäste-Nächtigungen im Jahr 2019 wäre wahrscheinlich ein Jahr später erneut gebrochen worden. Tirols Tourismus befand sich seit Jahren auf einem steilen Wachstumsweg nach oben. Doch ein Virus hat diesem Weg plötzlich ein jähes Ende gesetzt. Wie geht es nun weiter? Kann Tirol, das wie kaum ein anderes Bundesland in Österreich eine derart große Wertschöpfung aus dem Tourismus zieht, wieder zum alten „business as usual“ zurückkehren? Oder braucht es einen grundlegenden Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit, weniger Wachstum und neuen Urlaubsangeboten?

Fragen, auf die der Businessclub Club Tirol beim jüngsten virtuellen Clubabend unter dem zugespitzten Titel „Tiroler Tourismus am Scheideweg?“ mit einer hochkarätig besetzen Diskussionsrunde nach Antworten gesucht hat. Am „Zoom-Podium“: Hubert Siller, Fachhochschul-Professor und langjähriger Leiter des Departments Tourismus- und Freizeitwirtschaft am Management Center Innsbruck (MCI), Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung sowie langjähriger Geschäftsführer Österreichischen Hotelvereinigung, Stanglwirt-Hotelierin Elisabeth Hauser-Benz sowie Josef Schirgi, Geschäftsführer der Tourismusregion Serfaus-Fiss-Ladis und Obmann des Bundesverbandes Österreichischen Tourismusmanager (Landesgruppe Tirol). Organisatorin und Moderatorin des Abends, Club Tirol Vizepräsidentin Renate Danler, bat die Diskutanten zu einem vorsichtigen Blick in die Zukunft.

Strukturänderungen

„Tirol wird auch künftig einen starken Tourismus brauchen“, hielt Hubert Siller dazu grundsätzlich fest. Was harte Fakten aus der „Vor-Corona-Zeit“ aufzeigen würden: Jeder dritte Euro wird in Tirol direkt oder indirekt in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft verdient, nahezu jeder vierte Arbeitsplatz wurde bisher in diesem Bereich geschaffen. Der touristische Konsum aller Gäste und Besucher in Tirol lag 2019 bei rund 10 Milliarden Euro. Geld, das jetzt natürlich fehle. Um „das Schiff wieder flott zu bekommen, gibt es viel zu tun.“

Dabei sei aber „auch ganz klar, dass es einen offensiven Zugang hin zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Tourismus geben wird müssen.“ Sorge bereiten Fragen zu strukturellen Veränderungen. Etwa jene, ob Familienbetriebe weiterhin die zentrale Betriebsstruktur sein werden und ob die Jungen angesichts der unsicheren Lage das Zepter überhaupt übernehmen werden. Grundsätzlich zeigt sich Siller optimistisch, dass die „Ferienbranche“ die Krise überwinden werde. Denn „das Produkt Bergurlaub passt ja an sich.“

Zu den besonders Leidtragenden gehören laut Thomas Reisenzahn derzeit die „kleinen Privatzimmervermieter sowie die großen Betriebe“. In Sachen Liquidität gehe diesen „langsam die Luft aus“. Aus dem bürokratischen „Hilfe-Dschungel“ mit seinen teils unsinnigen Maßnahmen sei es schwierig, dringend benötigtes Geld zur Aufrechterhaltung der Betriebe tatsächlich zu erhalten. Es werde, so Reisenzahn, sicher Jahre dauern, um aus dieser Situation wieder herauszukommen.

Ein Problem dabei zeichne sich jetzt schon ab: Bis zu 20 Prozent aller Fachkräfte verlassen die Branche. So die Qualität in der Gästebetreuung halten zu können, werde schwierig. Für die Zukunft sieht Reisenzahn Potential etwa bei einem größeren und gezielteren Angebot für die „Best-Ager-Generation“, digitale „Arbeitsnomaden“ anzulocken und generell Gäste wieder für längere Aufenthalte zu gewinnen. Also weg vom Kurz- und hin zum „Long-Stay-Urlauber“.
Optimistisch

Trotz des „riesigen Einschnitts“ durch Corona bewahrt sich Stanglwirt-Hotelierin Elisabeth Hauser-Benz einen optimistischen Blick in die Zukunft. Mit zuletzt 130.000 Nächtigungen und einer Ganzjahresauslastung von 92 % (2019) waren „wir auf einem extremen Erfolgsweg“. Ungeachtet der Schließungen und teilweisen Umsatz-Totalausfall hält der Stanglwirt weiter 230 Mitarbeiter in Kurzarbeit, 30 Mitarbeiter sind für die laufenden notwendigen Arbeiten im Betrieb angestellt. Gerade das Halten von qualifiziertem Personal sei ein ganz wichtiger Punkt, denn „es wird bald noch schwerer sein, gute Mitarbeiter zu finden.“ Den „Corona-Stillstand“ habe man im „Bio-Bauernhof mit integriertem Luxushotel“ für Investitionen in den Bestand genutzt. Hohe Qualität gepaart mit Regionalität und Nachhaltigkeit. Das sei, so Hauser-Benz, gerade für die gehobene Hotellerie der Weg, um wieder an vergangene Erfolge anschließen zu können: „Speziell im 5-Sterne-Bereich erwarten sich die Gäste auch, dass da was passiert.“

„Wir müssen so rasch als möglich wieder auf den Stand des Jahres 2019 kommen, denn erst wenn sich die finanzielle Situation wieder gebessert hat, dann können wir über alle Dinge wie Nachhaltigkeit, Wachstumsgrenzen und Innovationen ernsthaft diskutieren“, hielt Josef Schirgi nach seinen Schilderungen über die derzeit schwierige Einnahmen-Situation der Tourismusverbände fest. Wichtig dafür sei, dass es bald wieder Planungssicherheit gibt. Ob Corona für die gesamten Branche einen nachhaltigen Wandel bringen werde, das „wage ich nicht zu sagen - die Menschen vergessen schnell.“


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