seilbahn.net | Themenbereiche | Pisten | 2021-11-18

Wie Snowfarming den Saisonstart sichert

ALLES SCHNEE VON GESTERN

Für viele ist der Winter die schönste Jahreszeit von allen. Aber selbst wenn die Temperaturen vielerorts schon recht früh frostig werden, sind die Bedingungen doch nicht stabil genug zum Beschneien und auch der erste Neuschnee lässt mancherorts gern länger auf sich warten. Schade für Saisonstart, Wintersport und rechtzeitige Urlaubsplanungen? Mitnichten, denn dank Snowfarming kann der wertvolle Schnee nämlich auch einfach und nachhaltig konserviert werden. Dafür braucht es neben den entsprechenden technischen Ressourcen und der optimalen Lage auch das entsprechende Know-How. Unter den Langlaufregionen gibt es in Österreich nur vier, die modernstes Snowfarming nutzen: Das Gebiet Schladming am Dachstein, die Jogllandloipe in der Steiermark, Obertilliach in Tirol sowie die Olympiaregion Seefeld in Tirol. In Leutasch bei Seefeld haben wir den Schneespeicher besucht und seinen Spezialisten getroffen – ein Lokalaugenschein.

Herr Holle und der Sommer

Herr Holle heißt hier eigentlich Elias Walser und ist Geschäftsführer des regionalen Tourismusverbandes. Die Olympiaregion Seefeld gilt weit über die Landesgrenzen als echtes Langlaufparadies und ein wahres Eldorado für nordische Kompetenzen in den Alpen. Um pünktlich zum Wintereinbruch ideale Trainingsbedingungen zu gewährleisten, wird das Schneemanagement der Region seit 2015 erfolgreich mit Snowfarming unterstützt.

Als wir an einem Spätsommerabend gemeinsam den schattigen Abhang im Leutaschtal hinaufspazieren, freue ich mich auf eine Abkühlung. Schnee ist im Sommer nämlich selbst hier auf stolzen 1.200 Metern eine echte Seltenheit – in den Archiven der Innsbrucker Altstadt erinnert man sich beispielsweise zuletzt am 06. Juni 1956 an sommerlichen Schneefall. Bevor das Snowfarming-Projekt aber am Sonnenplateau oberhalb der Landeshauptstadt Fuß fasste, machte Herr Holle in der steirischen Ramsau am Dachstein erste erfolgreiche Schneeversuche. Überhaupt ist die Steiermark zu der Zeit absoluter Snowfarming-Spitzenreiter, denn nur etwas weiter südlich heißt Herr Holle schon Gastwirt Orthofer. Im steirischen St.Jakob im Walde stemmt er seine Jogllandloipe sogar fast im Alleingang. Echte Pionierarbeit, denn ohne das Snowfarming-Projekt wäre Langlaufen hier gar nicht möglich.

Auch in Obertilliach in Tirol sorgt seit 2017 eine Snowfarmingloipe für optimale Trainingsbedingungen – gut zwei Kilometer lang, mit eigener Biathlon-Anlage, abendlichem Flutlicht und garantiertem Saisonstart.

Kunst- statt Neuschnee

Erfolgsberichte aus Skandinavien und dem WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos standen Modell, die Voraussetzungen waren dank bestehender Beschneiungsanlagen sowohl in Schladming wie später auch in Seefeld vielversprechend: Ressourcenschonend wird der Saisonstart gesichert, mit optimalen Trainingsbedingungen ab dem allerersten Tag. Andere Systeme wie klassische Beschneiung oder eine Snowfactory verbrauchen viel mehr Energie und können nur bei entsprechender Witterung eingesetzt werden, gibt der Geschäftsführer zu bedenken. Dass sich Kunstschnee besser für die Lagerung eignet, liegt übrigens an der besonderen Beschaffenheit seiner Eiskristalle: Sie sind grobkörniger und bleiben kompakter, speichern Kälte besser und schmelzen selbst bei hohen Temperaturen langsamer als Naturschnee. Mit Snowfarming starten auch in der Wintersaison 2021/22 die Regionen Ramsau, Seefeld/Leutasch und St.Jakob und Obertilliach pünktlich, schneesicher und perfekt präpariert. Dass heimische und internationale Hobby- und Spitzensportler sich Trainingsreisen ins ewige Eis des Nordens so sparen können, ist im wahrsten Sinne naheliegend.

Schnee im Sommerschlaf

Beeindruckende 6000 Kubikmeter Kunstschnee liegen in Leutasch. Ganz ohne den Einsatz chemischer Hilfsmittel, erzählt Elias Walser stolz und deutet auf Haufenweise Hackschnitzel am Boden. Unter einem halben Meter der groben Holzspäne wird der Schneeberg hier bestmöglich vor Sonne, Wind und Regen versteckt. Von Februar bis November macht der Schnee hier sozusagen neun Monate Sommerschlaf – bis zum Saisonstart im Winter.

Dass sich der Aufwand rechnet, gehört aber doch einiges an Herzblut zum Hackschnitzel: Im Hochwinter wird bei optimalen Bedingungen (kalt, trocken, windstill) technischer Schnee erzeugt, zum Saisonende kratzt man auch den Naturschnee der umliegenden Loipen zusammen und formt alles zu einem halbrunden Haufen – mit 20% Naturschneeanteil. Unter einem halben Meter Hackschnitzel überdauern bis zu 90% der Schneemenge bis zum garantierten Saisonstart im nächsten Winter: Gut einen Kilometer lang und etwa acht Meter breit wird die Snowfarming-Loipe schließlich pünktlich Mitte November ausgebracht. Etwas Schnee hält man allerdings für die tägliche Präparation der Skating- und Klassikspuren zurück, schließlich möchte man den ambitionierten Langlaufteams hier immer ideale Trainingsbedingungen bieten. Und die Hackschnitzel? Die werden im örtlichen Fernwärmewerk einfach in umweltfreundliche Energie verwandelt.

Spezialgebiet Snow-How

Besonders wichtig für erfolgreiches Snowfarming ist natürlich die Lage, weiß Schneespezialist Walser. Sind die Transportwege zu weit, ist der Aufwand schnell nicht mehr ressourcenschonend, da braucht es Feingefühl. Zudem muss Schmelzwasser im Sommer gut abfließen können, windgeschützt und schattig überwintert der Schnee am besten. Spätestens mit dem ersten Neuschnee kann man dann aber die ganze Vielfalt der Region entdecken: 245 Loipenkilometer für alle Ansprüche, olympische Streckenabschnitte, Nachtloipen mit funkelndem Flutlicht, Hunde- und Schlittenloipen sowie Langlauf-Specials wie das Vollmond Skating am idyllischen Wildmoosplateau. Der aktuelle Loipenstatus sämtlicher Strecken ist im digitalen Schneebericht ersichtlich und wird vom Serviceteam täglich aktualisiert. Übrigens: Wer für Ramsau am Dachstein oder die Olympiaregion Seefeld ein Langlauf-Saisonticket besitzt, läuft auch im jeweils anderen Gebiet völlig kostenlos.

Bilder (c) Olympiaregion Seefeld
von Chris Weittenhiller






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