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seilbahn.net | Themenbereiche | Tourismus/Gastro | 2022-10-04

Ski amadé Expertengespräch: Alpine Tourismus Betriebe - Wirtschaftliche Herausforderung im dynamischen Umfeld

Jede Krise ist ein Geschenk des Schicksals an den schaffenden Menschen“ 
(Stefan Zweig)

Am 27. September 2022 fand das traditionelle Expertengespräch der Ski amadé Akademie im Kultur- und Kongresshaus in St. Johann im Pongau statt.

Am Programm standen spannende Vorträge und Diskussionen.

Vortrag 1:
Mag. Oliver Fritz, MSc – Senior Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung
Tourismus in der Krise – Krise des Tourismus? Ein Ausblick auf die kommende Wintersaison 

Oliver FRITZ ist als Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) in Wien tätig und gehört dem Team des Forschungsbereichs Strukturwandel und Regionalentwicklung an.

Nach einem beispiellosen Einbruch der Wirtschaftsleistung im Frühjahr 2020 infolge der COVID-19 Pandemie hat sich die Wirtschaft weltweit und auch in Österreich überaus rasch wieder erholt. Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine im Februar 2022 setzte diesem positiven Trend ein jähes Ende: Die dadurch in Europa ausgelöste Energiekrise führte neben anderen Faktoren (wie etwa Lieferkettenstörungen) zu einem erheblichen Anstieg des Preisniveaus, verbunden mit Ängsten vor einer Rezession. 

Tatsächlich gehen die meisten Prognosen davon aus, dass im Jahr 2023 die Wirtschaft in vielen europäischen Ländern stagnieren wird, auch ein Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts liegt im Bereich des Denkbaren. 

Inflation und stagnierende Wirtschaftsleistung gehen mit einer Schwächung der Kaufkraft einher, die sich auch auf die Nachfrage nach touristischen Dienstleistungen auswirken wird. War im abgelaufenen Sommer noch wenig Zurückhaltung im Urlaubsreiseverkehr zu spüren, so ist zu befürchten, dass die Aussichten für die kommende Wintersaison durch Teuerung und Unsicherheit über die zukünftige Wirtschaftsentwicklung stärker beeinträchtigt werden – nach zwei Wintersaisonen, in denen die Tourismuswirtschaft unter der Pandemie litt, wird es wohl auch dieses Jahr keinen "Winter wie früher" geben. 

Von den Preissteigerungen sind zudem lebensnotwendige Güter wie Haushaltsenergie und Lebensmittel überdurchschnittlich stark betroffen – Haushalte können zwar auch in diesen Bereichen sparen und werden zudem durch staatliche Hilfsprogramme unterstützt, dennoch ist zu erwarten, dass die Haushaltsbudgets auf Kosten der Ausgaben für Urlaubs- und Freizeitgestaltung umgeschichtet werden. Im Vergleich zu Urlauben im Sommer, die in Europa für viele Haushalte zu einer Selbstverständlichkeit wurden, dürften die Einsparungen bei Reisen im Winter höher ausfallen – Winterurlaub ist vielfach noch ein "Luxusgut", dessen Konsum in Krisenzeiten überproportional eingeschränkt wird. 

Offen ist, auf welche Weise eingespart wird – die Haushalte können unterschiedliche Strategien verfolgen. Diese reichen von einer Verringerung der Zahl der Urlaubsreisen bis hin zu einer verkürzten Reisedauer, Änderungen bei der Destinationswahl oder der Unterkunftsqualität. Mangels Erfahrung aus anderen Krisenfällen, die der aktuellen Krise ähneln, lassen sich dazu keine gesicherten Vorhersagen treffen. Destinationen könnten auch sehr unterschiedlich betroffen sein, je nachdem welche Gästegruppen sie ansprechen und welche spezifischen Strategien die jeweilige Gruppe verfolgt. 

Die im internationalen Vergleich hohe Wettbewerbsfähigkeit, die sich Österreich vor allem im alpinen Tourismus erworben hat, bietet zwar auch in Krisenzeiten Standvorteile, wird aber die erwarteten Einnahmenausfälle durch die Konjunktureintrübung und den Rückgang der Kaufkraft nicht verhindern können. 

Zudem kann noch nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass die im Winter verfügbare Energie ausreicht, um neben den Haushalten auch alle Unternehmen zu versorgen. 

Neben dem noch immer virulenten Problem des Arbeitskräftemangels, der den Tourismus besonders trifft, könnte eine Energieknappheit dazu führen, dass es auch zu Einschränkungen des touristischen Angebots kommen wird. Und letztlich gibt es auch keine Garantie dafür, dass COVID-19 kein unerwünschtes Comeback feiert – mit all den negativen Folgen, die wir aus den vergangenen beiden Jahren bereits zur Genüge kennen.

Vortrag2
Stefan Richter – Country Manager - DACH bei Smart Pricer GmbH
Dynamisierung von Preisstrategien – Reaktion auf sprunghafte Kosten und kurzfristige Nachfrage

Entwicklung des dynamischen Preissystems über die letzten Jahre

Branchen mit Tourismusnähe, wie beispielsweise Airlines, Autovermieter und Hotels, verwenden und profitieren mittlerweile seit Jahren von den Effekten der dynamischen Preise. Was also in der Luftfahrt und in der Hotelbranche längst gang und gebe ist, findet nun auch auf den Skipisten Anwendung: Preise, die sich an verschiedene Situationen anpassen. Für den Gast ist dieses Preissystem nicht unbekannt und war schon bisher ein Teil von touristischen Aktivitäten. In großen namhaften Skigebieten kann man durch den Einsatz der dynamischen Preise positive Erfahrungswerte hervorbringen. Die Akzeptanz bei den Skigästen ist wie erwartet groß. 

Wie funktioniert Dynamic Pricing? 
  • Hauptvariablen
    • Preisermäßigungen und -erhöhungen 
    • Buchungskurvenverlauf – langsam, moderat, schnell 
  • Prinzipien
    • Wer früh bucht, profitiert! 
    • Wer spät an starken Skitagen bucht, muss mit einem höheren Preis rechnen
Sprunghafte Kosten / kurzfristige Nachfrage 
  • Deutliche Kostensteigerungen in den Bereichen Energie und Personal verlangen höhere Umsätze → Durchschnittspreis je Ticket muss steigen (Gästewachstum nicht unbegrenzt möglich) 
  • Kurzfristige Nachfrage erschwert Planung der Tourismusbetriebe 
  • Flexibles Preismodell mit den Grundprinzipien - Ergebnis bzw. Effekte für den Kunden: o günstigere Tickets im Vorverkauf und höhere Preise an der Kassa (Familien mit langfristiger Planung werden so bevorzugt) 
    • Verteilungsfunktion von Dynamic Pricing Spitzenzeiten / Randzeiten 
    • Preise mit größerer Spanne für preissensible Gäste 
  • Flexibles Preismodell mit den Grundprinzipien - Ergebnis bzw. Effekte für die Bergbahnen: o Steigerung des Ticketumsatzes 
    • Steigerung des Anteils an Mehrtageskarten 
    • Nivellierung der Besucherzahlen 
    • Zunahme von Online Frühbucher
Umsetzung der Ski Amadé GmbH
  • Online Frühbucher-System o nur online (geringere Auslastung = günstigere Preise) 
    • bequeme und einfache Buchung von zu Hause
  • Optimierung für Kunden anhand detaillierter Analyse des Kundenverhaltens + Kundenbefragung inkl. Ermittlung von Preisschwellen und System nach Einrichtung – faires und familienfreundliches Preismodell 
  • Maximale und minimale Preisgrenzen setzt Ski amadé fest – Steuerung liegt bei Ski amadé! 
Vortrag 3
Simone Mooslechner – Almlust Flachau
Dynamisches Pricing – was ist das eigentlich?

Viele Jahre lang verkauften Hoteliers Zimmer zu Pauschalpreisen, die im Laufe der Zeit nicht stark schwankten. Hotels hatten einen Wochentagspreis und einen Wochenendpreis, der während der Hochsaison leicht ansteigen würde. Die Sätze wurden im Voraus festgelegt, und der Anpassung dieser Sätze an sich ändernde Marktbedingungen wurde nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Dynamische Preisgestaltung ist genau das Gegenteil. Anstatt immer die gleiche Pauschale zu verkaufen, berücksichtigt die dynamische Preisgestaltung Nachfrageänderungen. Wenn die Nachfrage hoch ist, berechnet ein Hotel, welches dynamische Preise verwendet, höhere Preise. Und wenn sich die Nachfrage verlangsamt, werden die Raten sinken, um auf diesem Weg so viel Nachfrage wie möglich zu erreichen. 

Grundsätzlich lautet die Devise: Verkaufe dem richtigen Gast zum richtigen Zeitpunkt das richtige Zimmer zum richtigen Preis! Wenn dies gelingt, wird der Hotelier/Vermieter den höchstmöglichen Gewinn erzielen.

Top 3 Beweggründe für ein dynamisches Pricing in der Almlust: 
  • Der Preis ist das Instrument mit dem höchsten Hebel für die Wirtschaftlichkeit – keine Kosteneinsparung kann diesem Hebel das Wasser reichen! 
  • Hotelzimmer sind zwar keine Äpfel, aber trotzdem verderbliche Ware. 
  • Gäste haben unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche an einen Preis. 
Natürlich kommen bei einer Neueinführung auch Bedenken, die mit Sicherheit auch wohlüberlegt werden müssen. Werden Stammgäste das neue Preissystem akzeptieren? Wird die Abwicklung im täglichen Geschäft viel Zeit benötigen? Was, wenn sich verkalkuliert wird – ist das Hotelzimmer dann leer? Familie Mooslechner hat sich nach reichlicher Überlegung dazu entschieden, ab der Wintersaison 2017/18 mit dynamischen Preisen zu arbeiten. 

Doch was nun? Welche Schritte müssen getroffen werden, um das neue Preissystem perfekt einzuführen und in das Alltagsgeschäft einzuführen? 

1. Almlust Preis-Leitsätze festlegen 
  • Der Aufenthalt, welcher so früh wie möglich für den längst möglichen Zeitraum gebucht wird, ist der günstigste 
  • Der Stammgast soll den günstigsten Preis bekommen 
  • Der günstigste Preis mit den besten Buchungskonditionen ist der Direktbucherpreis 
2. Mitarbeiter informieren und fortbilden 
  • Alle Mitarbeiter im Front- und Backoffice sind umfassend bei einem Teammeeting informiert und eingeschult worden. Es ist wichtig, dass ein tiefes Verständnis für das dynamische Pricing entwickelt wird. 
3. Digitale Systeme fit machen oder austauschen/zukaufen 
  • Zurzeit sind in der Almlust mehrere digitale Systeme in Verwendung. 
  • Zu Beginn wurde alles manuell abgewickelt – sehr lehrreich, aber auch enorm zeitaufwändig. 
Resümee 2017 – 2022 -> Was hat es gebracht? 
  • Steigerung des Umsatzes im ersten Jahr: über 20% 
  • Höchste Flexibilität bei Ereignissen, welche einen starken Einfluss auf den Preis nehmen und nicht vorhersehbar sind (Energie, Lebensmittel, Inflation, Löhne) 
  • Gesteigerte Aufmerksamkeit für den eigenen Preis, die Leistung & die Gästewünsche 
  • Gesteigerte Aufmerksamkeit für die digitale Landschaft & deren Möglichkeiten


Wolfgang Hettegger, Präsidenten Ski amadé und Vorstand Snow Space Salzburg


Christoph Eisinger, Geschäftsführer Ski amadé


Mag. Dr. Oliver Fritz, MSc, Senior Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung


Stefan Richter, Country Manager DACH der Smart Pricer GmbH




Simone Mooslechner, Almdorf Almlust in Flachau

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