Salzmann Ingenieure: Valisera Bahn St. Gallenkirch - Autonom in die Zukunft40 Jahre lang verband die alte Valisera Bahn mit ihren 6er-Kabinen die beiden Skigebietsteile Nova in St. Gallenkirch und Hochjoch in Schruns im Vorarlberger Montafon. Seit dem Winter 2021/22 hat die zum Zeitpunkt der Errichtung 1981 ebenfalls einzigartige Hochleistungsanlage mit Österreichs erster autonomer 10er-Kabinenbahn eine würdige Nachfolgerin gefunden. Der Ersatz wurde auf Basis der bestehenden Trasse und Stationsstandorte – trotz deutlich erweiterten Dimensionen, Verkehrsoptimierungen und weltweit neuer Seilbahntechnik – in nur wenigen Monaten realisiert. Ausgangssituation Die Vorarlberger Tourismusdestination Silvretta Montafon vereint seit 2008 die beiden Skiräume Nova und Hochjoch und zählt mit mehr als 140 Pistenkilometern und 35 Bahnen zu Österreichs größten Skigebieten. Der Zusammenschluss wurde 2011 durch die Errichtung der Grasjoch Bahn im Ortsteil Galgenul bei St. Gallenkirch auch praktisch besiegelt. Gleich gegenüber der von Salzmann Ingenieure realisierten neuen 8er-Gondelbahn (Newsletter Nr. 5) führte die 1981 errichtete Valisera Bahn ihre Gäste ins Nova-Gebiet bis auf mehr als 2000 Meter Seehöhe. Die ersten Überlegungen für einen zeitgemäßen Neubau der altgedienten 6er-Gondelbahn gab es schon 2008. Sieben Jahre später wurden Pläne mit einer alternativen Trassenführung und einem Schrägaufzug ins Vermieltal gewälzt. Als das komplexe Vorhaben scheiterte, übernahmen Salzmann Ingenieure 2017 die Planung einer 10er-Kabinenbahn auf Basis der bestehenden Trasse und Stationen. Neben der Kapazitätserhöhung von 2200 auf derzeit 2800 und bis zu 3600 beförderten Personen pro Stunde im Endausbau setzt die neue Valisera Bahn als erste autonome Seilbahn Österreichs weltweit Akzente. Das gilt auch für die als Multifunktionszentrum konzipierte Talstation: Der Silvretta Park Montafon beherbergt Sport-Shop, Skischule, Markthalle, Personalräume und einen Hotelkomplex mit mehr als 100 Zimmern, Restaurant und Bar. Dazu kommt eine Tiefgarage mit 50 E-Ladestationen und insgesamt 600 Parkplätzen. Wie bei der Grasjoch Bahn zeichnete das Innsbrucker Büro Obermoser + Partner Architekten für diesen Terminal mit seinem spektakulären Folienschirm verantwortlich. Mindestens ebenso beeindruckend gerieten die Mittel- und die Bergstation aus der Feder von Salzmann Ingenieure und Lang Vonier Architekten. Nach stolzen 40 Betriebsjahren rollten im April 2021 die ersten Bagger an: Abbruch, Bau und Umbau nahmen ihren Lauf. In rekordverdächtigen achteinhalb Monaten wurde die komplette Bahn mit neuen Stützen und Stationen Mitte Dezember fertiggestellt – und das trotz Pandemie und innerhalb des Kostenrahmens. Pünktlich zum Start der Wintersaison 2021/2022 stiegen die ersten Gäste ganz ohne Betreuung selbst unten ein und 14 Minuten später auf luftigen 2108 Meter Seehöhe wieder aus – ein unvergessliches Erlebnis. Start in eine neue Seilbahn-Ära Mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 70 Millionen Euro zählt der Neubau der Valisera Bahn mit dem Bau des Silvretta Parks zu den größten Bauprojekten der Vorarlberger Wintersportgeschichte und war 2021 zudem größtes landesweites Bauvorhaben. Etwa ein Drittel der Kosten entfiel dabei auf die innovative Seilbahntechnik. Bei der Neuerrichtung handelt es sich rechtlich gesehen um einen Umbau. Da die Positionen der Bahn und der Stationen nicht verändert wurden, war nur eine Verlängerung der bestehenden Konzession erforderlich. „Die gültigen Verträge schufen letztlich die Basis für eine zeitgerechte Realisierung vor Konzessionsende. Durch die unveränderte Linienführung konnten wir die beiden Untergeschosse der Bergstation in ein Umbaukonzept integrieren und so Geld und Ressourcen sparen“, berichtet Planer Stephan Salzmann. Die Resultate können sich sehen lassen: Die Valisera Bahn ist nicht nur die erste autonome Seilbahn Österreichs, sondern auch die weltweit erste Zwei-Sektionen-Bahn ihrer Art. Die technische Grundlage für die innovative Beförderungsanlage bildet das AURO-System (AUtonomous Ropeway Operation) aus dem Hause Doppelmayr. „Unsere Gäste erleben in der neuen Valisera Bahn schon heute die Zukunft der internationalen Seilbahntechnik. Die topmoderne Anlage garantiert eine rasche und reibungslose Beförderung, sorgt für höchsten Service und Komfort, fügt sich harmonisch in die Berglandschaft ein und besticht zudem durch ihre nachhaltige und ästhetische Gestaltung“, betont Martin Oberhammer, Geschäftsführer der Silvretta Montafon Holding. Mittelstation als Dreh- und Angelpunkt Auf 1630 Metern befindet sich das Herz der Valisera Bahn: Die Mittelstation ist mit dem sogenannten Ropeway Operation Center (ROC) die Schaltzentrale der gesamten Seilbahn. Im Kommando- bzw. Dienstraum ist je eine Person für den Berg- und Talbetrieb zuständig. In der Tal- und Bergstation agieren die Fahrgäste selbstständig und dennoch stets im Blick der Profis. Zahlreiche Kameras und Sensoren informieren über die Lage in den bedienerlosen Stationen. Bei der Umsetzung des innovativen Systems musste das Planungsteam rund um Stephan Salzmann auch Brandschutz- und Sicherheitsaspekte lösen. „Der autonome Betrieb erforderte ein zusätzliches Leitsystem und eine spezielle Gebäudetechnik. Dadurch lassen sich in Notfallsituationen Aufzüge oder Rolltreppen extern ansteuern und Eingangstore aus der Ferne schließen“, erklärt er. Nur im Störfall muss das Bedienpersonal in den unbesetzten Stationen einspringen. Neben der Kommandozentrale beherbergt die völlig neu konzipierte Mittelstation auch den Antrieb für beide Seilbahnteilstrecken sowie den großen Kabinenbahnhof. Der bietet auf mehr als 2500 Quadratmetern Platz für bis zu 170 Kabinen. Die optisch auffallendste Maßnahme ist sicherlich die breite Pistenschlaufe auf dem Dach der Station. Sie ermöglicht den komfortablen Einstieg als Wiederholer zurück auf den Berg, den direkten Zugang zum Kinderland sowie die Fahrt ins Tal mit der Kabine. „Wir mussten die Seilführung einen Stock unter das Bahnsteigniveau der Bestandsbahn legen und in den Berg einbetten. So entstand eine trichter- förmige Ausfahrt in Richtung Berg. Im Sommer fügt sich die Plattform als begrüntes Dach harmonisch in die Landschaft“, berichtet Salzmann. Während er und sein Team die Gesamtplanung des Gebäudes übernahmen, steuerten Lang Vonier Architekten aus Schruns die architektonische Gestaltung der Station bei. Komfort auf allen Ebenen Zehn statt sechs Personen, Indoor-Skihalterung via TWIST-IN-System, Sitzheizung und 40 Jahre Fortschritt: Um die weitaus höheren und breiteren Kabinen ohne zusätzliche Waldrodungen auf die vorgegebene Spur zu bringen, setzte Salzmann bei den ersten Stützen auf eine sehr hohe Seilführung. „Auf die Fundamente mancher Stützen passt ein durchschnittliches Wohnhaus. Wir bewegen uns hier über dem Baumbestand“, schildert der Planer. Die Fahrt in den geräumigen Kabinen endet auf 2108 Meter Seehöhe mit der Qual der Pisten-Wahl. Bei der Rundum-Neugestaltung der Bergstation schuf Salzmann Ingenieure in Kooperation mit Lang Vonier Architekten eine optimale Ausgangslage für die Gäste. Ein neues Zwischengeschoss überbrückt die Distanz bis zum idealen Ausstiegspunkt direkt auf der Höhe des Plateaus zwischen Valisera Hüsli und Bella Nova. Sieben Meter wurden dafür aufgestockt. Produktive Sonnenspiele und optimale Wiederverwertung Heute erwartet die Fahrgäste bei der Ankunft in der Höhe eine lichtdurchflutete Halle. Für die beeindruckenden Licht- und Schattenspiele sind umlaufende Photovoltaik-Paneele verantwortlich. Diese sorgen dort, wo die Sonne meistens scheint, ganz nebenbei noch für sauberen Strom für den Betrieb. „Die Valisera Bahn ist technologisch, architektonisch, organisatorisch und energetisch ein absolutes Vorzeigeprojekt – und jede Fahrt ein ganz besonderes Erlebnis“, freut sich Martin Oberhammer. Während die alte Zwischenstation komplett abgetragen und an derselben Lageposition neu errichtet wurde, steht die neue Bergstation exakt auf den Mauern ihrer Vorgängerin. „Wir wollten so viel wie möglich wiederverwerten, und auch für die Stahlkonstruktion der ehemaligen Bahnsteighalle wurde eine sinnvolle Nachnutzung gefunden“, sagt Salzmann. Die alte Bausubstanz dient seither mit neuer Holzfassade als Lagerhalle der Wildbach- und Lawinenverbauung.
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