seilbahn.net | Themenbereiche | Urban | 2024-02-02

Verkehrsverbund Rhein-Neckar: Potenzial- und Machbarkeitsuntersuchung für Seilbahnsysteme

Einleitung

Seilbahnen können eine Alternative für Verkehrsprobleme sein, deren spezifische Anforderungen mit klas-sischen Verkehrsmitteln nicht adäquat gelöst werden können. Eine Seilbahntrasse kann unabhängig von der bestehenden Straßen- und Schieneninfrastrukturen errichtet werden und Hindernisse, wie topographische Gegebenheiten, leicht überwinden. Zudem bewegt sie sich exklusiv auf einer eigenen Verkehrsebene, sodass Verzögerungen und Unwägbarkeiten durch andere Teilnehmer minimiert und die durchgängige Verfügbarkeit von Fahrzeugen hoch, sowie bei Umlauf-Seilbahnen zusätzlich die Wartezeiten gering ist. Aus diesen Gründen wurde die Idee einer Seilbahnverbindung auch als zusätzliche Flussquerungen im Stadtgebiet Heidelberg und zwischen den Städten Mannheim und Ludwigshafen diskutiert.
Seitens der VRN GmbH wurde im Jahr 2021 eine Konzeptstudie auf den Weg gebracht und 2022/2023 durchgeführt. Im Rahmen dieser Konzeptstudie wurden potenzielle Einsatzgebiete in einem iterativen Prozess mit dem Ziel ermittelt, realistische Varianten für ein urbanes Seilbahnangebot zu definieren. In dieser Potenzial- und Machbarkeitsuntersuchung wurden mögliche Seilbahnverbindungen im gesamten Verbundgebiet identifiziert und hinsichtlich Nachfragepotenzial sowie Realisierungschancen und technische Umsetzbarkeit geprüft.

Urbane Seilbahnen – Grundformen

Zu den Grundformen von Seilbahnen zählt als meistgebauter Kabinentyp die Einseilumlaufbahn (EUB), die schnell zu realisieren ist und auch in bebauter Umgebung durch schlanke Rohrstützenbauwerke und schmale Seilbahntrassen möglich ist. Die Kabinengröße liegt bei 4 – 15 Personen. Die Dreiseilumlaufbahn (3S) bietet eine höhere Stabilität und zeichnet sich durch deutlich größere Abstände der Stützen und eine sehr hohe Seilführung aus. Die maximale Förderleistung liegt bei beiden Seilbahnen bei 4.500 Personen pro Stunde und Richtung. Die dritte Grundform ist die Pendelbahn, die mit einer oder zwei Kabinen rund 2.000 Personen pro Stunde und Richtung zwischen zwei Stationen transportieren kann.

Seilbahngeeignete Korridore im VRN

Bei der beauftragten Studie handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren. Die erste Stufe beschäftigte sich mit der Identifikation möglicher Korridore durch ein Workshopverfahren, das Siedlungsstruktur, aufkommensstarke Ziele, Pendlerverflechtungen und ÖPNV-Netzstruktur berücksichtigt. 20 Korridore wurden hier identifiziert. Daraufhin wurden diese qualitativ bewertet (von + + bis - -) und für die zweite Stufe einzelne Korridore ausgewählt . Ergebnis waren eine Auswahl von vier Korridoren, die für eine Detailbetrachtung in Frage kamen (lfd. Nr. 9, 10, 11, 16).

Vertiefende Betrachtung der ausgewählten Korridore

In der zweiten Stufe wurde diese Auswahl an Korridoren hinsichtlich der Seilbahnführung und der Standorte von Stationen, der Nachfragewirkung mittels Verkehrsmodellrechnung, der Dimensionierung der Seilbahnausführung, und der Baukosten (Schätzung) und Realisierungschancen untersucht. Im Folgenden werden diese Korridore vorgestellt.

Korridor Neuenheimer Feld – Bf Pfaffengrund/Wieblingen – Eppelheim – Patrick-Henry-Village

Die Seilbahnverbindung in Heidelberg würde das Neuenheimer Feld an die S-Bahn-Station Pfaffengrund-Wieblingen als multimodaler Knoten u.a. mit dem P&R-Parkplatz und der Weiterführung in Richtung Patrick-Henry-Village Süd anbinden. Der ausgewählte Korridor zwischen dem S-Bahnhof Pfaffengrund-Wieblingen und NHF zeichnet sich durch seine sehr gute Nachfragewirkung (im Durchschnitt 9.400 Fahrten pro Tag), das Potenzial für ÖPNV-Lückenschluss und die Anbindung des Neuenheimer Feldes über den Neckar aus. Auf dem Abschnitt nach Eppelheim und PHV ist hingegen ein deutlicher Nachfragerückgang zu verzeichnen. Daher wäre eine stufenweise Umsetzung sinnvoll. Aus den verlagerten Fahrten zum ÖPNV würden rund 13.770 Personen-km pro Tag im MIV eingespart werden. Es bietet sich eine EUB mit Kabinen für 10 Personen an und die Baukosten lägen derzeit geschätzt bei rund 46 Mio. ¤ für den Abschnitt NHF – Bf Pfaffengrund/Wieblingen. (Der errechnete Betrag ist eine Baukostenschätzung, die sich auf den Machbarkeitsstand bezieht, ohne Planungs- und Grundstückskosten, daher mit einem Puffer für Unvorhergesehenes und Weiteres). In einer ersten Abschätzung werden gute Chancen für eine Förderfähigkeit gesehen.

Korridor Bf Wiesloch-Walldorf – HDM/SAP

Wiesloch und Walldorf haben aufgrund der großen Anzahl an Arbeitsplätzen rund 30.000 PKW Einpendler pro Tag. Eine Verbindung des Bahnhofs mit dem Gewerbegebiet Heidelberger Druckmaschinen (HDM) / SAP würde rund 12.750 Personenkm pro Tag im MIV einsparen. Für diesen Korridor würde sich eine EUB mit Kabinen für 10 Personen empfehlen. Standorte für Stationen bieten sich am Bahnhof, im Bereich des Parkplatzes der HDM und an der Dietmar-Hopp-Straße im Einzugsbereich der Gebäude von SAP an. Die Bausumme läge schätzungsweise bei 16 Mio. ¤. (Der errechnete Betrag ist eine Baukostenschätzung, die sich auf den Machbarkeitsstand bezieht, ohne Planungs- und Grundstückskosten, daher mit einem Puffer für Unvorhergesehenes und Weiteres) und es könnte der umfangreiche Busverkehr eingespart werden. Eine Förderfähigkeit scheint nicht ausgeschlossen. Die Grundlage dieser Berechnung sind allerdings Daten des Zeitraums vor der Corona-Pandemie, die Arbeitswelt hat sich inzwischen durch vermehrtes mobiles Arbeiten deutlich verändert.

Korridor Mannheim – Altrip

Die Seilbahn würde Altrip (Standort Waldparkplatz an der Parkstraße) mit dem ÖPNVVerknüpfungspunkt Mannheim-Neckarau (Haltestelle Friedrichsstraße und S-Bahnhof) verbinden. Dadurch würde eine wichtige ÖPNV-Verbindung und der Ersatz der bestehenden Kleinbuslinie über die Fähre realisiert werden. Dazu würde die Verlässlichkeit der Verbindung aufgrund der höheren Ausfallzeiten bei der Fähre gegenüber einer Seilbahn signifikant erhöhen. Trotz relativ geringer Nachfrage scheint eine Förderfähigkeit aufgrund der Vorteile einer Kleinkabinenpendelbahn, wie Kosten oder Personaleinsatz, nicht ausgeschlossen. Durch die vom MIV verlagerten Fahrten entstünde eine Einsparung von 3.840 Personen-km pro Tag. Es empfiehlt sich eine Kleinkabinenpendelbahn mit zwei 15er Kabinen und eventueller Anforderung per Rufknopf als energiesparender Variante. Die Bausumme läge bei rund 7,5 Mio ¤. (Der errechnete Betrag ist eine Baukostenschätzung, die sich auf den Machbarkeitsstand bezieht, ohne Planungs- und Grundstückskosten, daher mit einem Puffer für Unvorhergesehenes und Weiteres).

Korridor Mannheim – Ludwigshafen

Bei der Betrachtung des Korridors über den Rhein zwischen Mannheim und Ludwigshafen empfehlen sich mehrere Varianten. Ausgangspunkt wäre der Straßenbahnhalt Markuskirche in Mannheim; auf der Ludwigshafener Rheinseite bieten sich verschiedene Verknüpfungspunkte an, wie Mundenheim Nord, Luitpoldhafen oder Giulinistraße. Auf diese Weise würden auch bestehende bzw. geplante Radschnellwege verknüpft werden können. Aufgrund des sehr guten ÖPNV-Angebots wird auf Grundlage der bestehenden Verkehrsmodelle eine niedrige Nachfragewirkung errechnet und der Korridor wäre somit als dauerhaftes Angebot nur eingeschränkt zu empfehlen. Eine temporär nutzbare Seilbahn könnte jedoch vor dem Hintergrund der Brückensanierungen und der dann fehlenden Brückenverbindungen eine sinnvolle Ergänzung des ÖPNV-Angebotes darstellen. Eine konkrete Linienführung wurde in der Konzeptstudie für diese Variante jedoch nicht untersucht.

Zusammenfassung

Als Gesamtergebnis der Machbarkeitsstudie kann festgehalten werden, dass alle thematisierten Verbindungen im weiteren Verlauf vor allem durch eine technische Prüfung und genehmigungsrechtliche Fragestellungen eingehender untersucht werden sollten. Insbesondere letztere stellen häufig die größte Hürde bei der Umsetzung dar. Aufgrund der deutlich höheren zu erzielenden Nachfrage ist die Verbindung zwischen Neuenheimer Feld und Bf Pfaffengrund/ Wieblingen vorrangig zu sehen. Die anderen Verbindungen erzielen in den ersten Untersuchungen geringere Nachfragezahlen, sollten aber nach der Abstimmung mit den Kommunen nach Möglichkeit ebenfalls planerisch weiterverfolgt werden.


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